Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung

Abstract

Am 1. Januar 2011 ist die Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) in Kraft getreten. Mit der ZPO wurde das Zivilprozessrecht der Schweiz auf Bundesebene kodifiziert und vereinheitlicht. Die ZPO ist nun seit etwas mehr als sieben Jahren in Kraft.

Mit der Motion 14.4008 RK-S wurde der Bundesrat beauftragt, die Praxistauglichkeit der ZPO zu prüfen und Verbesserungsvorschläge vorzulegen. Nun liegt ein entsprechender Vorentwurf vor. Am 2. März 2018 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz und Polizeidepartement, ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Die Vernehmlassungsfrist dauert noch bis zum 11. Juni 2018.

Das vorliegende Bulletin hat zum Ziel, die wichtigsten Aspekte dieser Reform darzustellen und auf gewisse Fragen hinzuweisen, die der Vorentwurf aufwirft.

I.    Übersicht über das Revisionsvorhaben

Der Bundesrat umschreibt die Hauptanliegen der Reform wie folgt:

―  Abbau von Kostenschranken: Durch eine Begrenzung der Prozesskostenvorschüsse und eine Neuregelung der Kostenliquidationsregeln sollen Kostenschranken abgebaut und der Zugang zum Recht verbessert werden.

―  Stärkung der kollektiven Rechtsdurchsetzung: Zur Stärkung der kollektiven Rechtsdurchsetzung soll die Verbandsklage neu geregelt und ihr Geltungsbereich erweitert werden; zudem soll ein Gruppenvergleichsverfahren geschaffen werden.

―  Verbesserung der Verfahrenskoordination: Um die gleichzeitige Geltendmachung mehrerer Ansprüche zu erleichtern, sollen die Bestimmungen über die Streitgenossenschaft, die Streitverkündungsklage, die Klagenhäufung und die Widerklage revidiert werden.

―  Schaffung eines Mitwirkungsverweigerungsrechts für Unternehmensjuristen: Um prozessuale Nachteile zu eliminieren, die Schweizer Unternehmen in ausländischen Verfahren erleiden können, soll ein Mitwirkungsverweigerungsrecht für Unternehmensjuristen eingeführt werden.

―  Einführung eines fakultativen Schlichtungsverfahrens bei Handelsgerichtsprozessen: Das Schlichtungsverfahren soll gestärkt werden; namentlich soll ein fakultatives Schlichtungsverfahren bei Streitigkeiten vor der einzigen kantonalen Instanz eingeführt werden.

II.   Abbau von Kostenschranken

1.   Einleitung

Die gegenwärtige Regelung der Prozesskosten ist verschiedentlich mit der Begründung kritisiert worden, dass die Gerichtsgebühren für bestimmte Personen faktisch den Zugang zum Gericht erschweren. Nach Art. 98 der geltenden ZPO kann das Gericht von der klagenden Partei nämlich einen Vorschuss bis zur Höhe der mutmasslichen Gerichtskosten verlangen. Dies hat in der Praxis dazu geführt, dass die meisten Gerichte die vollen Kosten bevorschussen lassen, die aufgrund des Streitwerts der Auseinandersetzung nach dem jeweiligen kantonalen Tarif zu erwarten sind. Gemäss Art. 98 Abs. 1 des Vorentwurfs soll neu nur noch ein Vorschuss bis zur Hälfte der mutmasslichen Gerichtskosten verlangt werden dürfen. Im Kanton Zürich hätte dies etwa zur Folge, dass die klagende Partei bei einem Streitwert von CHF 10 Millionen noch rund CHF 60’000 anstelle von bisher CHF 120’000 vorschiessen müsste, um den Prozess in Gang zu bringen. Diese Regelung dürfte dazu führen, dass vermehrt Prozesse eingeleitet werden.

Kritisiert wurde auch die heute praktizierte Liquidation der Prozesskosten. Art. 111 Abs. 1 und 2 der geltenden ZPO sehen vor, dass die Gerichtskosten mit den geleisteten Vorschüssen verrechnet werden und die kostenpflichtige Partei der anderen Partei die geleisteten Vorschüsse in diesem Umfang ersetzen muss. Praktisch bedeutet dies, dass die klagende Partei, die den Prozess gewonnen hat und eigentlich keine Gerichtskosten tragen müsste, diese Kosten zunächst doch begleichen muss, weil sie aus dem von ihr geleisteten Vorschuss bezogen werden. Sie erhält lediglich einen Ersatzanspruch gegen die beklagte Partei und trägt daher das Risiko, dass die Kosten von dieser nicht erhältlich gemacht werden können. Neu sollen die Vorschüsse gemäss Art. 111 Abs. 1 des Vorentwurfs den Parteien zurückerstattet werden, soweit ihnen der Entscheid keine Kosten auferlegt. Der Effekt dieser Regelung wäre, dass das Inkassorisiko betreffend die Gerichtskosten vom Kläger auf den Staat verlagert würde.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts besteht in Verfahren der vorsorglichen Beweisführung zum Zweck der Abklärung der Prozessaussichten grundsätzlich kein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege für Bedürftige. Diese Praxis wird teilweise als ungerecht empfunden, weil sie bedürftige Personen zwinge, direkt eine Klage einzuleiten, während vermögende Personen zunächst die Prozesschancen ausloten könnten. Gemäss Art. 118 Abs. 2 des Vorentwurfs soll dieser Kritik Rechnung getragen werden, indem explizit festgehalten wird, dass die unentgeltliche Rechtspflege auch für die vorsorgliche Beweisführung gewährt werden kann. In der Praxis würde diese Regelung vermutlich zu einem erheblichen Anstieg an Verfahren der vorsorglichen Beweisführung führen. Zu denken ist dabei insbesondere an Haftpflichtfälle, in denen verletzte Personen mit medizinischen Gutachten beweisen wollen, dass sie geschädigt wurden.

2.   Stärkung der kollektiven Rechtsdurchsetzung

a)   Ausgangslage

In Fällen von sogenannten Massen- und Streuschäden[1] kennt das geltende Recht keine besonderen Instrumente zur (gerichtlichen) Durchsetzung von Schadenersatzforderungen und anderen Ansprüchen. Art. 89 der geltenden ZPO sieht zwar eine Verbandsklage vor. Diese ist allerdings beschränkt auf Persönlichkeitsverletzungen und erlaubt es nicht, Ansprüche auf Schadenersatz oder Gewinnherausgabe durchzusetzen. In der Praxis hat die Verbandsklage deshalb bis jetzt keine praktische Bedeutung erlangt. Der Bundesrat wollte ursprünglich für den Finanzsektor mit dem Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) Instrumente für eine kollektive Rechtsdurchsetzung schaffen, hat sich nach den Ergebnissen des Vernehmlassungsverfahrens zum FIDLEG dann aber gegen einen sektoriellen Ansatz entschieden.

Der Vorentwurf schlägt nun eine erweiterte Verbandsklage und ein Gruppenvergleichsverfahren vor. Eigentliche Gruppenklagen oder Sammelklagen nach US-amerikanischem Vorbild sind im Vorentwurf hingegen nicht vorgesehen.

b)   Erweiterung und Ergänzung der Verbandsklage

Der geltende Art. 89 ZPO zur Verbandsklage soll grundlegend überarbeitet und durch eine neue Bestimmung zur reparatorischen Verbandsklage (Art. 89a des Vorentwurfs) ergänzt werden. Diese neuen Regelungen sollen die heute teilweise spezialgesetzlich bestehenden Regelungen zu Verbandsklagen, wie beispielsweise im Gleichstellungsgesetz oder im Kartellgesetz, ablösen. Neu soll die Verbandsklage damit einheitlich geregelt werden und folgende Charakteristika haben:

―   Aktivlegitimation: Die Verbandsklage soll allgemeinen Organisationen und insbesondere Vereinen und Stiftungen offenstehen; vorausgesetzt, sie (i) sind nicht gewinnorientiert, (ii) sind nach ihren Statuten oder ihrer Satzung zur Wahrung der Interessen dieser Personengruppen befugt und (iii) erscheinen zu dieser Interessenwahrung geeignet.

Ausgeschlossen sind somit kommerzielle Organisationen und rein informelle Gruppierungen oder Interessengemeinschaften. Zulässig sind hingegen Vereine oder Stiftungen, die eigens zum Zweck einer verbandsklageweisen Rechtsdurchsetzung der bedrohten oder bereits verletzten Rechte einer bestimmten Personengruppe gegründet bzw. errichtet werden. Sie müssen aufgrund der fachlichen Kenntnisse und organisatorischen sowie finanziellen Möglichkeiten aber zur Interessenwahrung geeignet erscheinen. Damit soll sichergestellt werden, dass Verbandsklagen nicht durch ungenügende, inkompetente oder überforderte Verbände zum Nachteil der Angehörigen einer Personengruppe oder der beklagten Partei erhoben werden.

―   Gegenstand: Gegenstand der vorgeschlagenen Verbandsklage können alle drohenden oder bestehenden Verletzungen der Rechte der Angehörigen einer bestimmten Personengruppe sein. Davon erfasst sind insbesondere Rechtsverletzungen im wirtschaftlichen Bereich des Waren- und Dienstleistungsaustauschs. Zu denken ist etwa an typische Fälle von Massenschäden, die im vertraglichen oder ausservertraglichen Bereich gegenüber einer Personengruppe verursacht werden, wie fehlerhafte Produkteserien, die einer bestimmten Personengruppe verkauft wurden, oder kartellrechtswidrige oder unlautere Geschäftspraktiken.

―   Rechtsbegehren: Mit der Verbandsklage sollen Abwehransprüche geltend gemacht, eine Widerrechtlichkeit festgestellt und finanzielle Wiedergutmachung verlangt werden können. Vorgesehen ist insbesondere die Klage auf Schadenersatz sowie auf Herausgabe von Gewinn und ungerechtfertigter Bereicherung (sogenannte reparatorische Verbandsklage). Damit soll die Verbandsklage neu zur kollektiven Geltendmachung von Massenschäden zur Verfügung stehen. Die kollektive Geltendmachung von Genugtuungsansprüchen soll hingegen weiterhin ausgeschlossen bleiben.

―   Reparatorische Verbandsklage: Die klagende Organisation tritt hier als Partei auf, führt den Prozess und macht damit in eigenem Namen finanzielle Ersatzansprüche geltend, die materiell-rechtlich den einzelnen Angehörigen der repräsentierten Personengruppe zustehen (sog. Prozessstandschaft). Zulässig wäre die reparatorische Verbandsklage unter folgenden Voraussetzungen:

  • Die Angehörigen der Personengruppe, die die klagende Organisation repräsentiert, müssen nach materiellem Recht einen entsprechenden Ersatzanspruch haben. Auf die Ersatzbemessung finden die allgemeinen Regelungen des Obligationenrechts Anwendung. Neue Anspruchsgrundlagen werden mit der vorgeschlagenen Ergänzung der Verbandsklage nicht geschaffen.
  • Der allfällige Prozessgewinn muss überwiegend der repräsentierten Personengruppe zukommen bzw. in deren Interesse verwendet werden.
  • Die betroffenen Angehörigen der Personengruppe haben die betreffende Organisation schriftlich oder in einer anderen Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht, zur Prozessführung zu ermächtigen. Die Ermächtigung hat auch Aufschluss über die Verwendung eines allfälligen Prozessgewinns durch die klagende Organisation zu geben.
  • Die klagende Organisation ist zur Geltendmachung der Ersatzansprüche geeignet, weil sie beispielsweise (a) gesamtschweizerisch tätig oder von gesamtschweizerischer Bedeutung ist und (b) über mehrjährige Erfahrung im betroffenen Rechtsbereich verfügt
    oder von der Mehrheit der Angehörigen der Personengruppe zur Prozessführung ermächtigt wurde. Analog zu den Regelungen im Verbandsbeschwerderecht sollen nur Organisationen mit einer genügend grossen Repräsentativität und einer genügenden Expertise im jeweiligen Rechtsbereich zur reparatorischen Verbandsklage legitimiert sein. Hingegen sollen kleine, allenfalls nur lokal verankerte Organisationen oder gar ad hoc-Gruppierungen ohne entsprechende Expertise bei Massenschadensfällen von nationaler oder gar internationaler Bedeutung nicht zur Klage befugt sein. Die Eignung zur Geltendmachung der Ersatzansprüche hat das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der geltend gemachten Rechtsverletzung und ihrer Auswirkungen sowie der geltend gemachten Ersatzansprüche, zu prüfen.

―   Information über die reparatorische Verbandsklage: Die klagende Organisation hat sämtliche ihr bekannten Angehörigen der Personengruppe sowie die Öffentlichkeit spätestens mit der Einreichung ihrer Klage angemessen zu informieren, es sei denn, sie wurde von sämtlichen von der Rechtsverletzung betroffenen Angehörigen der Personengruppe zur Prozessführung ermächtigt.

―   Befreiung von Kostenvorschuss und Sicherheitsleistung: Bis zu einem Streitwert von CHF 500’000 sind klagende Organisationen von der Leistung eines Kostenvorschusses und von Sicherheiten befreit. Im Übrigen kann das Gericht die Kosten nach Ermessen verteilen.

Im Vergleich zum geltenden Recht, unter welchem betroffene Angehörige einer Personengruppe ihre reparatorischen Ansprüche zur Durchsetzung an einen Verein oder eine andere Organisation abtreten können, erscheint die reparatorische Verbandsklage als ein einfacheres Instrument. Einer Abtretung bedarf es nicht; eine nachweisbare Ermächtigung durch die betroffenen Angehörigen genügt. Nach Ansicht des Bundesrates wird damit die kollektive Durchsetzung von Massenschäden, bei denen der einzelne Betroffene in einer für ihn erheblichen Weise geschädigt wird, erleichtert bzw. ermöglicht. Angesichts dieser Vereinfachung soll die reparatorische Verbandsklage darüber hinaus auch in Fällen von betragsmässig begrenzten Streuschäden, die aus prozessökonomischen Gründen kaum je mittels Individualklage durchgesetzt werden, die kollektive Rechtsdurchsetzung erleichtern.

Die vorgeschlagene Regelung lässt den Gerichten einen relativ grossen Ermessensspielraum bei der Beurteilung, ob eine Organisation zur Wahrung der Interessen einer bestimmten Personengruppe geeignet ist und, falls dies grundsätzlich der Fall ist, ob die Organisation darüber hinaus auch zur Geldendmachung von Ersatzansprüchen (reparatorische Verbandsklage) geeignet ist. Wird die vorgeschlagene Regelung zu geltendem Recht, bleibt es deshalb zu einem wesentlichen Teil der Rechtsprechung überlassen, wie hoch bzw. wie tief die Hürden der Verbandsklage in der Praxis gesetzt werden.

Aufgrund des Wortlauts des Vorentwurfs könnte das Verbandsklagerecht auch ad hoc-Organisationen offenstehen, die eigens zur Durchsetzung von Schadenersatzansprüche gegründet werden:

―   Vorausgesetzt dafür ist, wie oben dargestellt, dass die ad hoc-Organisation (i) nicht gewinnorientiert ist, (ii) nach ihren Statuten oder ihrer Satzung zur Wahrung der Interessen der betroffenen Personengruppen befugt ist und (iii) zu deren Interessenwahrung geeignet erscheint. Erfüllt eine solche ad hoc-Organisation die vorstehend dargestellten Voraussetzungen, steht ihr die Möglichkeit offen, mittels Verbandsklage Abwehransprüche geltend zu machen oder die Widerrechtlichkeit einer Rechtsverletzung feststellen zu lassen. Vereine, die von Geschädigten eines bestimmten Ereignisses (z.B. eines Anlagebetrugs) gegründet werden, um die Interessen ihrer Mitglieder im Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis zu wahren, dürften diese Voraussetzungen regelmässig erfüllen. Gestützt auf eine mittels Verbandsklage festgestellte Pflichtverletzung könnten die betroffenen Personen dann Individualklagen auf finanzielle Leistungen erheben und so ihre Schadenersatzansprüche durchsetzen.

―   Wird die ad hoc-Organisation darüber hinaus als geeignet zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen angesehen, ist sie auch zur Erhebung einer reparatorischen Verbandsklage (z.B. auf Schadenersatz) legitimiert. Gemäss dem Wortlaut des vorgeschlagenen Gesetzestextes (Art. 89a Abs. 1 Bst. d des Vorentwurfs) dürfte dies bereits dann der Fall sein, wenn die ad hoc-Organisation von der Mehrheit der Angehörigen der Personengruppe zur Prozessführung ermächtigt wurde.

Nicht geeignet zur Geldendmachung von Massenschäden erscheint die reparatorische Verbandsklage, sofern personenbezogene Umstände vorliegen (z.B. ein relevantes Selbstverschulden), die bei der Bemessung des Schadenersatzes zu berücksichtigen sind (siehe Art. 42 f. OR). Der Vorentwurf regelt diesen Punkt nicht explizit, womit es den Gerichten überlassen ist, diesen Aspekt bei der Prüfung der Geeignetheit gebührend zu berücksichtigen.

Die Finanzierung von Verbandsklagen soll nach Auffassung des Bundesrates dadurch erleichtert werden, dass bis zu einem Streitwert von CHF 500’000 wie erwähnt kein Kostenvorschuss zu leisten ist. Ausserdem soll eine Prozessfinanzierung durch Dritte möglich und soll es Verbänden gar gestattet sein, den Gewinn aus einer Verbandsklage zur Führung weiterer, ähnlicher Verfahren zu verwenden.

c)   Gruppenvergleichsverfahren

Ein Gruppenvergleichsverfahren soll die erweiterte Verbandsklage ergänzen und so das zivilprozessuale Instrumentarium für den kollektiven Rechtsschutz vervollständigen (siehe Art. 352a – 352k des Vorentwurfs). Der sachliche Anwendungsbereich umfasst grundsätzlich alle privatrechtlichen Rechtsverletzungen.

―   Parteien: Ein Gruppenvergleich kann geschlossen werden zwischen (i) Personen, denen eine Rechtsverletzung vorgeworfen wird, und (ii) Organisationen, die im gemeinsamen Interesse sämtlicher von dieser (mutmasslichen) Pflichtverletzung betroffenen und damit (mutmasslich) geschädigten Personen handeln und diese repräsentierten und als solche zur reparatorischen Verbandsklage legitimiert wären (siehe dazu vorstehend, b).

―   Inhalt: Zentraler Inhalt des Vergleichs ist der Umfang und die Befriedigung von Schadenersatzansprüchen der gesamten Gruppe von betroffenen Personen gegenüber der beschuldigten Person. Der Vergleich muss schriftlich abgeschlossen werden und zwingend Angaben enthalten zur Grundlage und zum wesentlichen Inhalt des Vergleichs sowie zu dessen Wirkung und Abwicklung.

―   Gerichtliche Prüfung und Genehmigung: Der Vergleich wird auf gemeinsamen Antrag der Parteien dem Gericht zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt. Das Gericht führt eine öffentliche Verhandlung durch, wobei die angemessene Information der betroffenen Personen durch die Parteien zu erfolgen hat. Das Gericht kann von Amtes wegen Beweise abnehmen und insbesondere Sachverständige beiziehen.

Das Gericht hat unter anderem die Angemessenheit des Vergleichs und die Effizienz des Vorgehens mittels eines Gruppenvergleichs zu prüfen. Genehmigt das Gericht den Vergleich, hat diese Genehmigung für sämtliche Personen die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids (definitiver Rechtsöffnungstitel), sofern diese nicht wirksam ihren Austritt (opt out) erklären. Die Information der bekannten betroffenen Personen und der Öffentlichkeit erfolgt durch die Parteien.

―   Austritt: Jede vom Gruppenvergleich betroffenen Person kann durch individuelle Erklärung aus dem Gruppenvergleich austreten. Das Gericht setzt dazu eine Frist von mindestens drei Monaten. Betroffene Personen, die erst nach Ablauf der Frist Kenntnis von ihrer Betroffenheit erhalten, können unter gewissen Voraussetzungen auch nach Ablauf dieser Frist noch austreten. Mit dem Austritt ist der Gruppenvergleich für die betroffene Person nicht verbindlich.

―   Widerruf: Die Parteien können im Gruppenvergleich vereinbaren, dass jede von ihnen das Recht hat, den genehmigten Gruppenvergleich zu widerrufen, wenn eine bestimmte Quote der betroffenen Personen ihren Austritt erklärt hat.

   Rechtsmittel: Die gerichtliche Genehmigung eines Gruppenvergleichs kann nicht mit einem Rechtsmittel angefochten werden.

   Erfüllung: Nach Ablauf der Austrittsfrist können die Parteien die Erfüllung des Gruppenvergleichsverlangen, und jede betroffene Person kann Leistung an sich selbst beantragen.

―   Verhältnis zu anderen Verfahren: Bereits hängige Prozesse, welche die gleichen Rechtsverletzungen betreffen, werden durch die Einleitung des Verfahrens betreffend Genehmigung eines Gruppenvergleichs sistiert. Wird der Gruppenvergleich in der Folge nicht genehmigt oder tritt die betroffene Person aus dem Gruppenvergleich aus, wird das Verfahren auf Antrag einer der Parteien fortgeführt.

Es ist zu vermuten, dass die Gründung und Leitung von Verbänden zur Führung von Verbandsklagen aus wirtschaftlichen Gründen schwierig sein wird; damit dürfte auch das Instrument des Gruppenvergleichs im Schweizer Binnenverhältnis nur geringe Bedeutung haben.

3.   Verbesserung der Verfahrenskoordination, nicht aber generell des Verfahrens

Unter dem Thema der Verfahrenskoordination sollen einzelne, ausgewählte Punkte aufgegriffen werden, aber leider nicht generell Themen der Qualität und der Länge des Verfahrens.

Mit der Revision der ZPO soll zum einen die Klage mehrerer Kläger gegen einen Beklagten vereinfacht werden. Voraussetzung einer solchen sog. aktiven, einfachen Streitgenossenschaft ist, dass das gleiche Gericht zuständig und dieselbe Verfahrensart anwendbar ist. Das ist nach der geltenden Prozessordnung nicht möglich, wenn einzelne Kläger eine Forderung von weniger als CHF 30’000 einklagen (vereinfachtes Verfahren), andere aber von mehr. Neu sollen die Streitwerte der Streitgenossen zusammengerechnet werden, und dann wird eine einheitliche Verfahrensart gewählt. Dies kann in Verfahren, in denen mehrere Kläger mit kleineren Forderungen gegen einen Beklagten vorgehen wollen, eine Vereinfachung der Klage bringen – eine Verbandsklage im Kleinen.

Die ZPO hatte zudem die Streitverkündungsklage, zuvor bekannt in Genf, Waadt und Wallis (sowie in Europa), für die gesamte Schweiz eingeführt. Das Institut wurde bislang kaum benützt. Mit der Revision sollen die Voraussetzungen nun klarer geregelt werden. Die vorgeschlagenen Änderungen sind jedoch kosmetischer Natur und werden an der grundsätzlichen mangelnden Attraktivität des Instituts kaum etwas ändern.

Wichtiger wäre Anderes: Nicht angegangen werden sollen generelle Mängel des Schweizer Zivilprozesses. Dazu gehört die Verfahrensdauer; in diesem Bereich droht die Schweiz die früher guten Bewertungen im internationalen Vergleich zu verlieren. Hier täte eine Straffung der ineffizienten Struktur der Verfahren (doppelter Schriftenwechsel mit anschliessender Hauptverhandlung) not. Auch die Inexistenz oder massgebliche Ineffizienz der Beweisverfahren in der Schweiz wäre durch eine geeignetere Struktur anzugehen und die Gerichte wären hier auch stärker in die Pflicht zu nehmen. Schliesslich haben die Gerichte den Schritt in den elektronischen Rechtsverkehr noch nicht gemacht; das müsste aus Anlass der Revision nachgeholt werden.

4.   Mitwirkungsverweigerungsrecht für Unter­nehmensjuristen

Die Frage, ob und inwieweit Unternehmensjuristen im Zivilverfahren besondere Geheimnis- bzw. Mitwirkungsverweigerungsrechte zustehen sollen, wird in der Schweiz seit längerem kontrovers diskutiert. Der Bundesrat hatte derartige Rechte schon 2009 im Vorentwurf für ein Unternehmensjuristengesetz vorgesehen. Nach einer mehrheitlich ablehnenden Vernehmlassung wurde auf die Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzes verzichtet. Das Thema “Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen” wurde aber in der Folge in einer parlamentarischen Initiative wieder aufgegriffen. Der Vorentwurf sieht nun in Art. 160a vor, dass Unternehmensjuristen ähnlich wie Rechtsanwälte die Mitwirkung in einem Verfahren verweigern können, wenn

  1. a) die betreffende Tätigkeit bei einem Anwalt als berufsspezifisch gelten würde; und
  2. b) der Rechtsdienst von einer Person geleitet wird, die über ein kantonales Anwaltspatent (oder ein ausländisches Äquivalent dazu) verfügt.

Mit der Voraussetzung in Bst. a) soll wie bei der anwaltlichen Tätigkeit sichergestellt werden, dass das Privileg der Mitwirkungsverweigerung nur für berufsbezogene Tätigkeiten beansprucht wird. Nicht dazu gehören private, politische, soziale Tätigkeiten oder die Verwaltung von Vermögen. In Bst. b) fordert der Gesetzestext, dass der unternehmensinterne Rechtsdienst unter der Leitung einer Person steht, die über ein Rechtsanwaltspatent verfügt, was die fachliche Qualität dieses Dienstes sicherstellen soll.

Praktisch relevant wird dieses neue Verweigerungsrecht namentlich mit Bezug auf die Korrespondenz mit dem unternehmensinternen Rechtsdienst. Auch diese wird nach dem Vorentwurf privilegiert werden, wie die Korrespondenz mit dem Anwalt gemäss Art. 160 Abs. 1 Bst. b ZPO. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die entsprechenden Unterlagen in der Sphäre des unternehmensinternen Rechtsdienstes oder bei Dritten befinden. Mit Gewährung dieses Privilegs sollen bestehende prozessuale Nachteile eliminiert werden, die Schweizer Unternehmen in ausländischen Verfahren erleiden können, da die Schweiz derzeit kein Zeugnis- und Editionsverweigerungsrecht für Unternehmensjuristen kennt.

5.   Fakultatives Schlichtungsverfahren bei Strei­tigkeiten vor einziger kantonaler Instanz

Gemäss dem Vorentwurf soll die klagende Partei wählen können, ob sie bei Streitigkeiten, für die gemäss Art. 5 und 6 ZPO eine einzige kantonale Instanz zuständig ist, ein fakultatives Schlichtungsverfahren einleiten oder die Klage direkt beim Gericht einreichen will.

Unter geltendem Recht besteht diese Wahlmöglichkeit nicht. Fällt eine Streitigkeit in den Zuständigkeitsbereich einer einzigen kantonalen Instanz, entfällt das Schlichtungsverfahren und die Klage muss direkt beim Gericht eingereicht werden (vgl. Art. 198 Bst. f ZPO). Dies betrifft insbesondere die handelsrechtlichen Streitigkeiten in den Kantonen Bern, Aargau, Zürich und St. Gallen, für die gemäss Art. 6 ZPO ein Handelsgericht als einzige kantonale Instanz zuständig ist. In diesen Fällen hat sich die fehlende Möglichkeit eines fakultativen Schlichtungsverfahrens als teilweise unbefriedigend erwiesen. So muss zur Verjährungsunterbrechung direkt bei Gericht geklagt werden, wenn der Schuldner in Ermangelung eines Betreibungsortes in der Schweiz nicht betrieben werden kann. In der Praxis führte dies dazu, dass bei den Handelsgerichten zur Verjährungsunterbrechung vermehrt nur rudimentär begründete Klagen eingereicht und sogleich wieder zurückgezogen wurden. Dieses Vorgehen birgt aber die Gefahr eines ungewollten Eintritts der Fortführungslast, falls der Gegenseite die Klage umgehend zugestellt wird (vgl. ZR 115 (2016) Nr. 39), und wird von vielen Parteien als kostspieliger Leerlauf empfunden.

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung von Art. 198 ZPO wird diesem Kritikpunkt Rechnung getragen. Neu soll die klagende Partei die Möglichkeit haben, bei Streitigkeiten gemäss Art. 5 und 6 ZPO ein fakultatives Schlichtungsverfahren zu durchlaufen und so die Verjährung auf eine kostengünstigere und weniger aufwendige Weise zu unterbrechen (Art. 135 Ziff. 2 OR). Leitet die Klägerin ein fakultatives Schlichtungsverfahren ein, richtet sich dieses nach den Bestimmungen von Art. 202 ff. ZPO. Kommt während des Schlichtungsverfahrens keine Einigung zustande, hat die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung auszustellen. Ungeklärt ist die Bedeutung der in Art. 209 Abs. 3 ZPO vorgesehenen Frist zur Klageeinleitung (drei Monate seit Eröffnung der Klagebewilligung) hat, falls ein fakultatives Schlichtungsverfahren stattgefunden hat. U.E. wird die klagende Partei, welche die Frist zur Klageeinleitung unbenutzt verstreichen lässt, auf Feld 1 zurückversetzt, mit der Folge, dass sie erneut die Wahl zwischen einem fakultativen Schlichtungsverfahren und der direkten Klageerhebung hat.

Der Revisionsvorschlag hat zudem Folgen mit Bezug auf den Eintritt der Rechtshängigkeit bei Streitigkeiten, für welche eine einzige kantonale Instanz zuständig ist. Nach Art. 62 ZPO begründet bereits die Einreichung eines Schlichtungsgesuchs die Rechtshängigkeit. Daran soll sich gemäss dem Vorentwurf nichts ändern. Für reine Binnenverhältnisse bedeutet dies, dass die Sperrwirkung der Litispendenz (Art. 64 Abs. 1 Bst. a ZPO) auch bei Streitigkeiten gemäss Art. 5 oder 6 ZPO mit der Einreichung eines etwaigen (fakultativen) Schlichtungsgesuchs eintritt. Hingegen ist ungeklärt, ob dies auch in internationalen Sachverhalten gilt:

―   Gemäss Art. 9 Abs. 2 IPRG ist zur Feststellung, wann eine Klage in der Schweiz rechtshängig gemacht worden ist, der Zeitpunkt der ersten, für die Klageeinleitung notwendigen Verfahrenshandlung massgebend. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 IPRG nennt die Einleitung des Sühnverfahrens zwar ausdrücklich als eine für die Begründung der Rechtshängigkeit ausreichende Verfahrenshandlung. Wie aus Art. 9 Abs. 2 Satz 1 IPRG hervorgeht, beruht dies aber auf der Vorstellung, dass das Schlichtungsgesuch eine für die Klageeinleitung “notwendige” Verfahrenshandlung, mithin obligatorisch, ist.

―   In Bezug auf euro-internationale Sachverhalte hat der EuGH mit Urteil vom 20. Dezember 2017 im Fall Schlömp gegen Landratsamt Schwäbisch Hall (Rechtssache C-467/16) entschieden, die Art. 27 und 30 LugÜ seien dahingehend auszulegen, “dass bei Rechtshängigkeit ein “Gericht” zu dem Zeitpunkt als angerufen gilt, zu dem ein obligatorisches Schlichtungsverfahren bei einer Schlichtungsbehörde nach Schweizer Recht eingeleitet worden ist” [Hervorhebung hinzugefügt]. Auch für den Gerichtshof war mitentscheidend, dass das Schweizer Schlichtungsverfahren grundsätzlich obligatorisch ist.

Vor diesem Hintergrund sollte sich eine klagende Partei in internationalen Sachverhalten bis auf Weiteres nur in jenen Konstellationen auf die rechtshängigkeitsbegründende Wirkung ihres Schlichtungsgesuchs verlassen, in welchen das Schlichtungsgesuch obligatorisch i.S. von Art. 197 ZPO ist.

6.   Weitere punktuelle Änderungen

Weitere nennenswerte Änderungen sind:

―   Art. 6 des Vorentwurfs: Zuständigkeit der Handelsgerichte. Der Vorentwurf übernimmt verschiedene Klarstellungen des Bundesgerichts zur Zuständigkeit der Handelsgerichte und macht darüber hinaus klar, dass arbeits- und mietrechtliche Prozesse nicht in die Zuständigkeit der Handelsgerichte fallen (so auch die Zürcher Praxis). Zudem müssen bei einer Streitgenossenschaft alle Klagen und Ansprüche in die Zuständigkeit des Handelsgerichts fallen; ansonsten bleiben die ordentlichen Gerichte zuständig.

―   Art. 177 des Vorentwurfs: Privatgutachten als Beweismittel. Gemäss dem Vorentwurf sollen neu auch Privatgutachten als Urkunden und damit als Beweismittel i.S. von Art. 168 ZPO gelten. Partei- bzw. Privatgutachten sind Gutachten, die nicht gemäss Art. 183 ff. ZPO vom Gericht angeordnet und eingeholt, sondern von einer Partei selbst in Auftrag gegeben werden. Die vorgeschlagene Neuerung stellt eine Abkehr von der geltenden Praxis dar, nach der Privatgutachten keine Beweismittel – namentlich keine Urkunden – sind (BGE 141 III 433 E. 2). In der Lehre wird die Frage der Urkundenqualität von Privatgutachten kontrovers beurteilt. Sollte die vom Bundesrat vorgeschlagene Neuerung umgesetzt werden, ist zu beachten, dass auch Privatgutachten der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegen (Art. 157 ZPO). Ihr Beweiswert müsste daher im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände bestimmt werden.

―   Art. 236 Abs. 4 des Vorentwurfs: Vollstreckungsaufschub durch erste Instanz. Als Gegenstück zur bereits heute möglichen Anordnung von Vollstreckungsmassnahmen durch die erste Instanz gemäss Art. 236 Abs. 3 ZPO schlägt der Bundesrat vor, dass die erste Instanz auf Antrag der unterliegenden Partei die Vollstreckung seines Entscheids bis zu einem entsprechenden Entscheid der Rechtsmittelinstanz oder dem benutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist aufschieben kann. Dies betrifft v.a. Entscheide, die mit ihrer Ausfällung sofort vollstreckbar werden, weil sie nicht mit Berufung, sondern nur mit Beschwerde gemäss Art. 319 ff. ZPO angefochten werden können. Hier soll das erstinstanzlich entscheidende Gericht die Möglichkeit erhalten, auf Antrag der unterliegenden Partei vorsorglich die Vollstreckung seines Entscheids aufzuschieben. Bedeutsam ist diese Bestimmung insbesondere im Zusammenhang mit Arresteinspracheentscheiden, die gemäss Art. 278 Abs. 3 SchKG der Beschwerde gemäss ZPO unterliegen. Heisst das Gericht eine Arrest­einsprache gut, ist der Entscheid gemäss geltender Rechtslage sofort vollstreckbar. Das Betreibungsamt hätte daher die Arrestgegenstände unverzüglich freizugeben. Disponiert der Arrestschuldner die Vermögenswerte hierauf ab, erweist sich für den Arrestgläubiger eine Beschwerde gegen Arresteinspracheentscheid als zwecklos. Einzelne Gerichte (u.a. das Bezirksgericht Zürich, Einzelgericht Audienz) sind deshalb dazu übergegangen, ihre die Arresteinsprache gutheissenden Entscheide in heiklen Fällen mit der Anordnung zu versehen, dass der Arrestbefehl erst “auf den Zeitpunkt nach unbenutztem Ablauf der Beschwerdefrist oder nach Abschluss des obergerichtlichen Verfahrens” aufzuheben sei (siehe z.B. BGer 5A_682/2016 vom 17. Mai 2017 unter “Sachverhalt”, Bst. C). Solche Anordnungen sind zwar pragmatisch, entbehren unter geltendem Recht aber einer gesetzlichen Grundlage. Mit der vorgeschlagenen Neuerung soll das von gewissen Gerichten bereits praktizierte Vorgehen legalisiert werden.

―   Art. 265 Abs. 4 des Vorentwurfs: Abweisung superprovisorischer Massnahmen. Bei besonderer Dringlichkeit kann vom Gericht verlangt werden, dass es bestimmte Massnahmen sofort und ohne vorherige Anhörung der Gegenpartei erlässt (Art. 265 Abs. 1 ZPO). Unter geltendem Recht ist unklar, ob ein Entscheid, mit dem ein Antrag auf Erlass superprovisorischer Massnahmen abgewiesen wird, überhaupt mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann. Nach herrschender Ansicht ist dies nicht möglich. Zudem schreibt Art. 265 Abs. 2 ZPO vor, dass das Gericht im gleichen Entscheid, in dem es über die Anordnung der superprovisorischen Massnahme befindet, zu einer Verhandlung vorlädt oder die Gegenpartei zur schriftlichen Stellungnahme einlädt. Dies hat zur Folge, dass die Gegenpartei in diesem Zeitpunkt über das Gesuch informiert wird und Massnahmen, die einstweilen nicht ausgesprochen wurden, unter Umständen vereiteln kann. Diese Rechtslage ist kritisiert worden. Gemäss Art. 265 Abs. 4 des Vorentwurfs soll das Gericht, welches die Anordnung superprovisorischer Massnahmen verweigert, die Gegenpartei auf Antrag der gesuchstellenden Partei nicht über diesen Entscheid in Kenntnis setzen, bis über die Beschwerde gegen den Entscheid entschieden ist. Damit wird die erwähnte Vereitelungsgefahr gebannt und zugleich klargestellt, dass die Abweisung superprovisorischer Massnahmen mit Beschwerde angefochten werden kann.

[1]     Ein Massenschaden liegt vor, wenn eine Vielzahl von Personen durch eine Ursache in gleicher oder gleichartiger Weise erheblich geschädigt werden. Als Streuschäden werden Konstellationen bezeichnet, wenn zwar wie bei Massenschäden ebenfalls eine Vielzahl von Personen durch ein Schadensereignis geschädigt werden, die einzelne Person jedoch wertmässig nur einen kleinen Schaden erleidet.

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