Steuervorlage 17 (SV17) – Beratung im Ständerat
Abstract
Beratung im Ständerat
Das Volk hat in der Abstimmung vom 12. Februar 2017 das Unternehmenssteuerreformgesetz III (USR III) abgelehnt. Mit der Steuervorlage 17 (SV17) hat der Bundesrat eine Neuauflage des Projekts vorgelegt. Der Ständerat hat die Vorlage des Bundesrats massgeblich verändert. Dieses Bulletin gibt einen Überblick über die wichtigsten Punkte der SV17 in der vom Ständerat am 7. Juni 2018 verabschiedeten Fassung vor. Als Nächstes wird der Nationalrat die Vorlage mit den Änderungen behandeln.
Die Vorlage sieht die Abschaffung der kantonalen Steuerprivilegien vor, zu der sich die Schweiz gegenüber der EU verpflichtet hatte. Als Ersatzmass-nahmen werden vom Bundesrat die Einführung folgender Massnahmen vorgeschlagen: (a) die obligatorische Einführung einer Patentbox durch alle Kantone und (b) die freiwillige Einführung von er-höhten Steuerabzügen für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen durch die Kantone. Bei-behalten wird zudem die Möglichkeit zur steuer-neutralen Aufwertung der stillen Reserven (Step-up), welche unter den alten Steuerregimes oder vor Zuzug in die Schweiz gebildet wurden. Der Zinsenabzug auf übermässigem Eigenkapital (notional interest deduction) ist – im Gegensatz zur Botschaft des Bundesrates zur SV17 – wieder Teil der SV17. Im Gegenzug wird durch Einführung einer Proportionalitätsregel die Ausschüttung von steuerfreien Dividenden aus Kapitaleinlagereserven (KER) beschränkt. Dividenden aus qualifizierten Beteiligungen werden gemäss Vorschlag des Ständerates vom 7. Juni 2018 mit 30% (bisher 40%) auf Stufe Bund und mit höchstens 50% auf Stufe Kanton privilegiert (bisher i.d.R. bis zu 50% auf Stufe Kanton), während der Vorschlag des Bundesrates noch eine Beschränkung der Privilegierung von 30% auch auf Stufe Kanton vorsah.
Allgemeine Senkungen der Gewinnsteuersätze durch die Kantone sind wiederum nicht Teil der Vorlage. Die Kantone können darüber in eigener Kompetenz entscheiden. Um den Kantonen dies-bezüglich mehr fiskalischen Spielraum zu gewähren, sieht die Vorlage aber eine Anhebung des An-teils der Kantone an den Einnahmen des Fiskus aus der direkten Bundessteuer vor. Gewisse Kantone (wie z.B. der Kanton Waadt, wo der ordentliche Gewinnsteuersatz (inkl. direkte Bundessteuer) von 22.1% auf 14% gesenkt wird) setzen eine erhebliche Senkung der ordentlichen Steuersätze aber bereits vor Inkrafttreten der SV17 um.
Im Folgenden werden zunächst die drei Hauptelemente des Gesetzesentwurfs, die der Ständerat gegenüber der Botschaft des Bundesrates einge-führt oder abgeändert hat, beleuchtet:
Einführung einer zinsbereinigten Gewinnsteuer
Im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrates vom 6. September 2017 sieht der Vorschlag des Ständerates vom 7. Juni 2018 vor, dass die Kantone eine zinsbereinigte Gewinnsteuer einführen können. Dadurch können die Kantone auf freiwilliger Basis eine Ersatzmassnahme für die privilegierte Besteuerung von Finanzgesellschaften ein-führen.
Einführung einer Proportionalitätsregel beim Kapitaleinlageprinzip
Nach geltendem Recht unterliegen Dividenden, welche aus Kapitaleinlagereserven (KER) bezahlt werden, weder der Verrechnungssteuer noch der Einkommenssteuer bei in der Schweiz ansässigen Privatpersonen. Nach dem Vorschlag des Ständerats sollen für an einer schweizerischen Börse kotierte Gesellschaften steuerfreie Dividenden aus KER nur dann zulässig sein, wenn im selben Um-fang steuerbare Dividenden aus übrigen Reserven ausgerichtet werden, sofern die Gesellschaft über solche übrigen Reserven verfügt (Proportionalitätsregel). Diese Proportionalitätsregel gilt aber dann nicht, wenn KER durch die Übertragung von Vermögenswerten aus dem Ausland nach dem 31. Dezember 2010 entstanden sind oder wenn die Gesellschaft ihren Sitz in die Schweiz verlegt hat. Nicht betroffen sind sodann Gesellschaften, welche nicht an einer schweizerischen Börse kotiert sind.
Besteuerung von Dividenden aus qualifizierten Beteiligungen
Gemäss Vorschlag des Ständerates wird die Dividendenbesteuerung für natürliche Personen mit qualifizierenden Beteiligungen auf Bundesebene auf mindestens 70% erhöht werden und auf kantonaler Ebene mindestens 50% betragen. Der Vor-schlag des Bundesrates hat eine Erhöhung auf 70% auch auf Stufe Kanton vorgesehen. Bisher werden solche Dividenden auf Stufe Bund mit 60% und in den meisten Kantonen mit 50% besteuert (gewisse Kantone wie z.B. der Kanton Aargau so-gar bloss mit 40%). Dadurch soll eine Gegenfinanzierung der mit der SV17 (bzw. den kantonalen Steuersatzsenkungen) verbundenen Steuerausfällen bewirkt werden.
Die weiteren Elemente der SV17 wurden vom Ständerat gegenüber der Botschaft des Bundesrates nicht wesentlich angepasst.
Abschaffung der kantonalen Steuerstatus
Mit dem Bundesgesetz über die SV17 werden die gesetzlichen Grundlagen im Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) für die kantonalen Steuerprivilegien der Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften aufgehoben. Sobald fest-steht, dass die SV17 definitiv wird (d.h. wenn fest-steht, dass kein Referendum gegen die SV17 zustande gekommen ist, bzw. wenn die SV17 in einer Volksabstimmung angenommen worden ist), haben die Kantone bis zum Inkrafttreten der SV17 Zeit, ihre kantonalen Steuergesetze an die neuen bundesrechtlichen Vorgaben anzupassen. Die Kantone sind dabei frei, die Abschaffung der Statusgesellschaften bereits vor Inkrafttreten der gesamten SV17 umzusetzen. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der revidierten kantonalen Steuergesetze werden die bis dahin privilegiert besteuerten Gesellschaften ordentlich besteuert. Die SV17 sieht eine fünfjährige Übergangsbestimmung vor, während welcher die Realisierung von während der steuerlichen Privilegierung entstandenen stillen Reserven gesondert besteuert werden (Sondersatzmodell). Alternativ können die stillen Reserven einer privilegiert besteuerten Gesellschaft vor In-krafttreten der neuen Regelungen im Rahmen der Aufgabe des Steuerstatus steuerneutral aufgedeckt und über die Folgejahre steuerwirksam abgeschrieben werden (sog. altrechtlicher Step-up). Ausserdem werden die speziellen Praxisregelungen für die Ausscheidung bei Prinzipalgesellschaften und Finanzbetriebsstätten von der Eidgenössischen Steuerverwaltung ESTV aufgehoben.
Nach Aussage von Bundesrat Maurer hat sich die Schweiz zu einer Abschaffung bis 2019 verpflichtet. Da die Botschaft zur SV17 noch im Parlament beraten werden muss, ist ein Inkrafttreten frühestens 2020 möglich und daher eine Abschaffung der Steuerprivilegien bis 2019 nicht mehr möglich. Dies hat dazu geführt, dass die Schweiz von der OECD auf eine «graue Liste» gesetzt wurde. Zu-dem kann dies unilaterale Anti-Missbrauchsmass-nahmen einzelner Staaten nach sich ziehen.
Ferner ist zu beachten, dass Informationen über Steuerrulings hinsichtlich Statusgesellschaften, welche am 1. Januar 2018 noch in Kraft sind, im Rahmen des spontanen Informationsaustauschs mit anderen Staaten spontan ausgetauscht werden. Auch wenn entsprechende Rulings vor dem 1. Januar 2018 zurückgezogen werden, ist eine privilegierte Besteuerung bis zur Änderung des kantonalen Steuergesetzes bzw. bis zur freiwilligen Aufgabe des Steuerstatus weiterhin möglich, sofern die Voraussetzungen für den entsprechenden Steuerstatus erfüllt sind. In diesem Fall kommt es aber nicht zu einer spontanen Information ausländischer Staaten.
Patentbox
Mit der SV17 soll eine Patentbox für die Kantone verbindlich eingeführt werden. Mit dieser Patent-box wird der Reingewinn, der auf Patente und vergleichbare Rechte entfällt, auf Antrag hin mit einer Ermässigung von bis zu 90% besteuert. Auf Stufe Bund werden diese Gewinne ohne Ermässigung besteuert. Die Patentbox erfüllt die von der OECD aufgestellten Anforderungen (sogenannter «modifizierter Nexusansatz»). Der modifizierte Nexusansatz erlaubt, dass Erträge aus qualifizierenden Rechten maximal im Verhältnis des der steuer-pflichtigen Person zurechenbaren Forschungs-und Entwicklungsaufwands (F&E-Aufwand) zum gesamten F&E-Aufwand privilegiert besteuert wer-den dürfen. Als zurechenbarer F&E-Aufwand gilt dabei der Aufwand für selbst durchgeführte F&E in der Schweiz, der Aufwand für durch Dritte durch-geführte F&E sowie der Aufwand für durch Konzerngesellschaften in der Schweiz durchgeführte F&E.
Zusätzliche F&E-Abzüge
Mit der SV17 werden die Kantone ermächtigt, für den Aufwand aus F&E, die im Inland durchgeführt wird, einen zusätzlichen Abzug von der Bemessungsgrundlage der kantonalen Gewinnsteuer vor-zusehen. Dieser zusätzliche Abzug darf 50% des förderfähigen F&E-Aufwands nicht übersteigen.
Entlastungsbegrenzung
Wie bei der USR III soll auch im Rahmen der SV17 eine Entlastungsbegrenzung eingeführt werden. Die Entlastungsbegrenzung sieht vor, dass ein Unternehmen immer mindestens 30% seines steuer-baren Gewinns vor Anwendung der Sonderregelungen (Patentbox, zusätzliche F&E-Abzüge) versteuern muss und dass aus der Anwendung der Sonderregelungen keine Verluste resultieren dürfen.
Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer
Mit der SV17 soll die steuerliche Attraktivität der Schweiz für mobile Aktivitäten möglichst erhalten bleiben. Die dafür vorgesehenen steuerlichen Instrumente wirken sich dabei aber nur für einen Teil der mobilen Erträge aus. Die von diesen Instrumenten nicht abgedeckten Gewinne unterliegen nach der Abschaffung der Regelungen für Statusgesellschaften dem ordentlichen Gewinnsteuersatz. Um zu vermeiden, dass die bisherigen Statusgesellschaften aus der Schweiz wegziehen, müssen die Kantone ihre Gewinnsteuersätze teil-weise drastisch reduzieren (vgl. die geplanten Steuersatzsenkungen im Anhang). Um den Kantonen diesbezüglich mehr fiskalischen Spielraum zu geben, sieht die SV17 vor, den Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer von 17% auf 21.2% zu erhöhen. Die Senkung der kantonalen Gewinnsteuern, welche über diese Massnahme der SV17 sowie die Anpassung des interkantonalen Finanzausgleichs möglich wird, ist der mit Abstand wichtigste Teil der SV17.
Entlastungen bei der Kapitalsteuer
Statusgesellschaften entrichten die Kapitalsteuer heute nur zu einem ermässigten Steuersatz. Im Rahmen der SV17 wird vorgeschlagen, dass die Kantone geeignete Ersatzmassnahmen treffen können, um ihre Standortattraktivität zu erhalten.
Aufdeckung stiller Reserven
Wie bei der USR III soll es auch im Rahmen der SV17 möglich sein, stille Reserven vor dem Zuzug in die Schweiz steuerneutral aufzudecken und in den Folgejahren steuerwirksam abzuschreiben. Dadurch wird eine Symmetrie zum Wegzug aus der Schweiz, bei der die stillen Reserven auch besteuert werden, hergestellt. Die stillen Reserven werden nicht in der Steuerbilanz aufgedeckt, sondern mittels Verfügung der Steuerverwaltung fest-gestellt. Alternativ können diese stillen Reserven mit einem Sondersatz besteuert werden.
Kantonale Steuersatzsenkungen
Die Senkung der kantonalen Gewinnsteuersätze ist nicht direkt Gegenstand der SV17. Im Hinblick auf die USR III hatten aber die meisten Kantone, welche nicht bereits einen sehr tiefen Steuersatz haben, solche Steuersatzsenkungen vorgesehen. Dabei haben die Kantone je nach Ausgangslage unterschiedliche Strategien entwickelt (vgl. die Übersicht auf der letzten Seite): Kantone wie etwa Waadt oder Genf hätten die in der Vorlage vorgesehenen Ersatzmassnahmen nur zurückhaltend umgesetzt und dafür die Steuersätze generell erheblich reduziert. Andere Kantone wie Zürich wollten den Steuersatz nur in relativ geringem Ausmass reduzieren und dafür die Möglichkeiten der Ersatzmassnahmen in grossem Umfang aus-schöpfen. Es ist davon auszugehen, dass dies im Rahmen der Umsetzung der SV17 nicht fundamental anders sein wird. Mit der Erhöhung des An-teils an der direkten Bundessteuer sowie der Änderung im interkantonalen Finanzausgleich erhalten die Kantone den notwendigen Spielraum, um solche Steuersatzsenkungen mehr oder weniger aufkommensneutral durchführen zu können.
Transponierung
Im Rahmen der Änderung der Steuergesetze sieht die SV17 zudem vor, sämtliche Veräusserungen von Beteiligungsrechten an eine Gesellschaft, an der der Einbringer zu mind. 50% beteiligt ist, zu besteuern, soweit die erhaltene Gegenleistung die Summe aus Nennwert und Kapitaleinlagereserven übersteigt. Dies gilt auch, wenn mehrere Personen die Übertragung gemeinsam vornehmen und zusammen die 50%-Grenze erfüllen. Ein steuerfreier privater Kapitalgewinn ist somit im Vergleich zur heutigen Regelung auch bei Veräusserungen von weniger als 5% an selbst beherrschte Gesellschaften gemäss SV17 nicht mehr möglich.
Zeitliche Umsetzung und Fazit
Die SV17 wird in der Herbstsession vom National-rat als Zweitrat beraten. Wird gegen die SV17 kein Referendum ergriffen, so bestimmt der Bundesrat das Inkrafttreten. In der Folge werden die Kantone ihre kantonalen Steuergesetze an die geänderten Bestimmungen des StHG anpassen müssen, wozu ihnen üblicherweise eine Frist von 2 Jahren eingeräumt wird. Die steuerlichen Regelungen für Statusgesellschaften bleiben somit voraussichtlich noch während einigen Jahren bestehen. Sobald feststeht, dass kein Referendum gegen die SV17 ergriffen wird, kann dagegen die Regelung betreffend Besteuerung bestehender bisher privilegiert besteuerter stiller Reserven mit einem Sondersatz umgehend in Kraft gesetzt werden.
Erfreulich ist, dass der Ständerat es den Kantonen ermöglichen will, den fiktiven Eigenkapitalzinsabzug (notional interest deduction), welcher für die Ansiedlung von Konzernfinanzierungsaktivitäten in der Schweiz wichtig ist, einzuführen. Der Preis, der hierfür mit der Einführung der Proportionalitätsregel bei der Ausschüttung von Dividenden aus KER durch in der Schweiz kotierte Gesellschaften zu bezahlen war, ist aber vergleichsweise hoch.
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