Entwurf zur Änderung der Aufsichtsverordnung veröffentlicht

Abstract

Am 17. Mai 2022 hat das Eidgenössische Finanzdepartement den Entwurf zur Änderung der Verordnung über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen (Aufsichtsverordnung) veröffentlicht und die diesbezügliche Vernehmlassung eröffnet. Damit erfolgt ein weiterer wichtiger Schritt in der Umsetzung der Teilrevision des Versicherungsaufsichtsgesetzes, die das Parlament am 18. März 2022 verabschiedet hat (Ablauf Referendumsfrist: 7. Juli 2022).

Am 17. Mai 2022 hat das Eidgenössische Finanzdepartement den Entwurf zur Änderung der Verordnung über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen (Aufsichtsverordnung; AVO) veröffentlicht.

Die Vernehmlassung dauert bis zum 7. September 2022. In Kraft gesetzt wird die geänderte AVO voraussichtlich per 1. Juli 2023.

Die revidierte Aufsichtsverordnung setzt die Anliegen der Teilrevision des Versicherungsaufsichtsgesetzes um, insbesondere die Implementierung von Erleichterungen bzw. die Befreiung kleiner Versicherungsunternehmen von der Aufsicht, die Einführung von Verhaltensregeln im Zusammenhang mit dem Vertrieb qualifizierter Lebensversicherungen sowie die Konkretisierung der Anforderungen an die Versicherungszweckgesellschaft.

Die folgenden Änderungen sind aus unserer Sicht besonders erwähnenswert:

Einführung eines Kleinversicherungregimes

(Art. 1c-1g E-AVO)

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA (FINMA) soll künftig kleinen Erst- und Rückversicherungsunternehmen Aufsichtserleichterungen bewilligen oder diese von der Aufsicht freistellen können. Entscheidend ist dafür primär die Bilanzsumme gemäss statutarischer Bilanz;

Festlegung von Kriterien für Geschäfte mit und ohne Zusammenhang mit dem Versicherungsgeschäft

(Art. 5b und 5c E-AVO)

Art. 5b E-AVO legt fest, welche Geschäfte im Zusammenhang mit dem Versicherungsgeschäft stehen und deshalb bewilligungsfrei betrieben werden können (vgl. Art. 11 Abs. 1 nVAG).

Wie in Art. 11 Abs. 2 nVAG vorgesehen, bestimmt Art. 5c E-AVO sodann, unter welchen Voraussetzungen die FINMA den Betrieb von Geschäften ohne Zusammenhang mit dem Versicherungsgeschäft bewilligen kann: (a) keine Gefährdung der Versicherteninteressen, (b) Beherrschung der damit verbundenen Risiken, und (c) keine unverhältnismässige Erschwerung der Aufsicht der FINMA (wie etwa bei hoch komplexen Geschäften).

Komplette Überarbeitung des 3. Titels bezüglich Solvenzanforderungen

(Art. 21 ff. und Art. 51 ff. E-AVO)

Im Übereinstimmung mit Art. 9-9c nVAG enthält die E-AVO zusätzliche Vorschriften zur Solvabilität, insbesondere mit Bezug auf (1) das anzustrebende Schutzniveau bezüglich Insolvenzrisiken, (2) das risikotragende Kapital, das Zielkapital und deren Ermittlung (insbesondere mit Bezug auf die marktkonforme Bewertung) und (3) die Schwellenwerte zur Ergreifung von sichernden Massnahmen gemäss Art. 51nVAG (sog. «Interventionsschwellen»).

Privilegierung bei der Anrechenbarkeit von Tier 1-risikoabsorbierenden Kapitalinstrumenten

(Art. 32, 34, 37 und 38 E-AVO):

Die E-AVO führt neu Vorgaben für «qualitativ hochstehendes» Eigenkapital (Tier 1) ein. Dies soll einerseits die Refinanzierungsmöglichkeiten von Versicherungsunternehmen erweitern und einen Anreiz zur Begebung von qualitativ hochstehenden Instrumenten schaffen. Risikoabsorbierende Kapitalinstrumente in Tier 1 können bis zu einer betragsmässigen Auswirkung von max. 20% des Kernkapitals angerechnet werden (Art. 34 Abs. 5 E-AVO). Die bisherige Unterscheidung zwischen oberem und unterem ergänzenden Kapital wird ersetzt durch eine Einteilung der risikoabsorbierenden Kapitalinstrumente in Tier 1- und Tier 2-Instrumente (Art. 37 Abs. 1 lit. c E-AVO).

Konkretisierung der Versicherungszweckgesellschaft

(Art. 111d ff. E-AVO)

Die wichtigsten aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Versicherungszweckgesellschaften sind bereits in Art. 30e und 30f nVAG geregelt. Die ausführenden Bestimmungen in Art. 111d ff. E-AVO bezwecken nun eine möglichst liberale Umsetzung auf Verordnungsstufe.

Einführung von produktspezifischen Informationspflichten im Zusammenhang mit qualifizierten und nicht-qualifizierten Lebensversicherungsprodukten

(Art. 129a  ff. E-AVO)

Zusätzlich zu den im Versicherungsvertragsgesetz geregelten Informationspflichten sollen Versicherungsunternehmen künftig verpflichtet werden, Versicherte über bestimmte Risiken bei Lebensversicherungsprodukten mit und ohne Anlagerisiko zu informieren. Bei Lebensversicherungen mit Anlagerisiko (sog. qualifizierte Lebensversicherungen) sollen Versicherungsunternehmen zusätzlich eine individualisierte Beispielrechnung vorlegen, Entschädigungen Dritter offenlegen und ein Basisinformationsblatt erstellen müssen.

Modernisierung des Versicherungsvermittlungsrecht

(Art. 182 ff. E-AVO):

Die überarbeitete AVO erfasst im Sinne einer technologieneutralen Regulierung künftig insbesondere auch «Vergleichsplattformen» im Internet als Versicherungsvermittler. Zudem wird klargestellt, dass bereits Beratungstätigkeit oder die Durchführung wesentlicher Vorbereitungshandlungen als Versicherungsvermittlung gelten kann (Art. 182 E-AVO). Eine weitere wesentliche Änderung besteht darin, dass ungebundene Versicherungsvermittler künftig gewisse Corporate Governance-Mindeststandards einhalten müssen (Art. 188 E-AVO).

Die Pressemitteilung des EFD, den Entwurf der E-AVO und den Erläuterungsbericht finden Sie unter folgendem Link: Medienmitteilung Entwurf AVO

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